Zensus-Einwohnerzahlen in den Stadtteilen - Vergleich zum Einwohnermelderegister

Die jüngsten Ergebnisse des Zensus 2022 - insbesondere die Einwohnerzahlen - sorgen nicht nur in Chemnitz, sondern in vielen deutschen Städten und Gemeinden für Gesprächsstoff. Zum Stichtag 15. Mai 2022 ermittelte der Zensus für Chemnitz eine Gesamtbevölkerung von 240.078 Personen. Demgegenüber standen die Zahlen des Einwohnermelderegisters, das am 30. April 2022 246.092 und am 31. Mai 2022 246.473 Einwohner verzeichnete. Diese Differenz von mehr als 6.000 Personen entspricht einer Abweichung von rund 2,5 %. Doch wie sieht es aus, wenn wir die einzelnen Stadtteile genauer betrachten?

Im Folgenden wirft CHEMNITZ in ZAHLEN einen Blick auf die 39 Stadtteile von Chemnitz und analysiert die Unterschiede zwischen den Zensus-Daten und den Einwohnerzahlen aus dem Einwohnermelderegister. Dabei stehen insbesondere die Stadtteile mit den größten Abweichungen – sowohl absolut als auch prozentual – im Fokus. Der Blog-Beitrag schaut, ob sich in irgendeiner Form räumliche Muster der Abweichungen erkennen lassen.

Methodik

Um die Abweichungen zwischen den Zensus-Daten und dem Einwohnermelderegister zu vergleichen, wurde zunächst für alle 39 Stadtteile jeweils separat der Mittelwert der Einwohnerzahlen vom 30. April und dem 31. Mai 2022 (aus dem Einwohnermelderegister) berechnet. Dieser Mittelwert dient als Vergleichswert zum Zensus, dessen Werte mit Stand 15. Mai 2022 erhoben wurden. Die Differenz wurde sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozent ausgedrückt, um eine verständliche Darstellung zu gewährleisten. Die Zensus-Daten (auf Stadtteil-Ebene) stammen vom Statistischen Landesamt; die Daten vom Einwohnermelderegister werden einmal im Monat von der Stadt Chemnitz selbst veröffentlicht.

Ergebnisse

Gesamtübersicht: Abweichungen zwischen Zensus und Einwohnermelderegister

Chemnitzweit zeigt sich eine Abweichung von -2,5 %, wobei der Zensus in 37 von 39 Chemnitzer Stadtteilen niedrigere Bevölkerungszahlen als das Einwohnermelderegister ausweist. Die Abweichungen variieren jedoch stark zwischen den einzelnen Stadtteilen. In absoluten Zahlen fallen insbesondere bevölkerungsreiche Stadtteile wie der Sonnenberg, das Zentrum, Gablenz oder Bernsdorf ins Auge. Gleichzeitig gibt es Stadtteile mit auffälligen prozentualen Abweichungen, wie Ebersdorf und Furth, die näher betrachtet werden sollten. Zusätzlich gibt es mit Grüna und Adelsberg einige Stadtteile, denen man Abweichungen in dieser Größenordnung nicht zugetraut hätte.

 

Abschließender Vorab-Hinweis: Der Blog-Artikel befasst sich mit Werten vom Mai 2022. Diese sind in der Zwischenzeit nicht mehr aktuell, da sich die Einwohnerzahl seitdem erhöht hat (Entwicklung Gesamtstadt | Entwicklung Stadtteile).



Stadtteile mit den größten absoluten Abweichungen

Sonnenberg: -757 Einwohner

Der Sonnenberg verzeichnet die größte absolute Differenz. Während das Einwohnermelderegister im Durchschnitt 15.875 Personen meldet, gibt der Zensus lediglich 15.118 Einwohner an. Dies entspricht einer Abweichung von 757 Personen. Der Sonnenberg gehört zu den Chemnitzer Stadtteilen mit der größten Bevölkerungsmobilität (Zuzüge, Wegzüge) und der heterogensten Bevölkerungsstruktur (hoher Ausländeranteil).

 

Ebersdorf: -634 Einwohner

Ebersdorf fällt mit einer Abweichung von -634 Personen besonders auf. Die Ursache für die Diskrepanz wird in der Erstaufnahmeeinrichtung des Freistaates Sachsen liegen. Möglicherweise waren dort noch Bewohner gemeldet, die längst auf andere sächsische Städte und Gemeinden verteilt waren.

 

Zentrum: -507 Einwohner

Im Stadtteil Zentrum beträgt die Differenz -507 Personen. Mit seiner zentralen Lage, seiner heterogenen Bevölkerungsstruktur (höchster Ausländeranteil unter allen Chemnitzer Stadtteilen) und einer hohen Fluktuation von Studierenden und temporären Bewohnern könnte die Erfassung im Zensus auf Herausforderungen gestoßen sein.

 

Gablenz: -479 Einwohner

Auch in Gablenz gibt es eine signifikante Abweichung von -479 Personen. Bei einer Bevölkerung von rund 15.000 Einwohnern ist dies durchaus überraschend, da der Stadtteil im Vergleich der großen Chemnitzer Teilgebiete noch die homogenste (im Schnitt recht alte) Bevölkerung aufweist. Gablenz ist der Beleg dafür, dass nicht der Anteil der ausländischen Bevölkerung maßgeblich dafür ist, wie stark Zensus-Werte abweichen.

 

Bernsdorf: -462 Einwohner

In Bernsdorf, dem Stadtteil der Technischen Universität Chemnitz, liegt die Differenz bei -462 Personen. Der Stadtteil ist u.a. geprägt von mehreren tausend Wohnheimplätzen und vielen Studierendenwohnungen, was die statistische Erfassung (sowohl melderechtlich als auch bei Erhebungen des Zensus) erschweren könnte.

weiterhin:

  • Kappel: -280 Einwohner
  • Hilbersdorf: -239 Einwohner
  • Adelsberg: -226 Einwohner
  • Grüna: -220 Einwohner
  • Kaßberg: -202 Einwohner

Die Werte für den Kaßberg, Grüna und Adelsberg zeigen, dass Ursachen, warum Bevölkerungszahlen so stark abweichen, augenscheinlich nicht mit Einzelvariablen (hoher Ausländeranteil, Fluktuation, Studierendenzahl) allein begründet werden können.



Stadtteile mit den größten prozentualen Abweichungen

Ebersdorf: -9,0 %

Ebersdorf hat die größte prozentuale Abweichung unter allen Chemnitzer Stadtteilen. Während der Mittelwert des Einwohnermelderegisters 7.014 Einwohner beträgt, erfasste der Zensus nur 6.380 Personen. Dies entspricht einer Differenz von -9,0 % oder -634 Einwohnern. Wie schon oben beschrieben liegt die Ursache dafür in weiten Teilen im Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung und in der melderechtlichen Praxis.

 

Sonnenberg: -4,8 %

Obwohl der Sonnenberg in absoluten Zahlen die größte Differenz aufweist, liegt er prozentual mit -4,8 % nur an zweiter Stelle. Der Zensus meldete 15.118 Einwohner, während der Mittelwert des Einwohnermelderegisters 15.875 Personen ausweist. Die starke Abweichung wird durch einen Mix aus Bevölkerungsstruktur, hoher Mobilität und Fluktuation im Stadtteil bedingt sein.

 

Furth: -4,3 %

Der Stadtteil Furth zeigt die drittgrößte prozentuale Abweichung. Hier meldet der Zensus 1.273 Einwohner, während der Mittelwert des Einwohnermelderegisters bei 1.331 liegt. Die Differenz von -4,3 % fällt trotz der kleinen absoluten Zahl von -58 Personen stark ins Gewicht, da Furth insgesamt weniger Einwohner hat. Furth hat neben dem Zentrum und dem Sonnenberg einen der höchsten Ausländeranteile in Chemnitz und weist einen sehr hohen Anteil an Asylbewerbern auf, die im Stadtteil wohnen.

 

Grüna: -4,2 %

In Grüna beträgt die prozentuale Differenz -4,2 %. Der Zensus erfasste 4.997 Personen, verglichen mit einem Mittelwert von 5.217 aus dem Einwohnermelderegister. Dies entspricht einer Differenz von -220 Einwohnern, was für einen Stadtteil mit ländlichem Charakter eine signifikante Schwankung darstellt. Allgemein fällt auf, dass Stadtteile am Stadtrand bzw. im Speckgürtel (u. a. Adelsberg, aber auch Euba, Klaffenbach, Glösa-Draisdorf) mit hoher Einfamilienhausdichte durchaus hohe Abweichungen aufweisen. Da hier die Bevölkerungsmobilität (Umzüge) weitaus geringer ist, muss eine andere Erklärung herhalten. Eine These könnte sein, dass Kinder der Eigenheimbesitzer zum Studieren oder für ein Praktikum in anderen Städten wohnen oder sich aktuell im Ausland aufhalten, aber noch in Chemnitz gemeldet sind.

weiterhin:

  • Zentrum: -3,4 %
  • Hilbersdorf: -3,4 %
  • Adelsberg: -3,4 %
  • Bernsdorf: -3,3 %
  • Gablenz: -3,2 %
  • Reichenbrand: -3,2 %

Stadtteile mit positiven Abweichungen

In immerhin 2 von 39 Stadtteilen gibt es auch positive Abweichungen, bei denen der Zensus höhere Einwohnerzahlen meldet als das Einwohnermelderegister:

 

Hutholz: +0,3 % (+16 Einwohner)
Im Stadtteil Hutholz meldet der Zensus 16 Einwohner mehr als das Einwohnermelderegister. Dies entspricht einer Abweichung von +0,3 % - allgemein ist für die vier Kernstadtteile des Heckert-Gebiets (Helbersdorf, Morgenleite, Hutholz, Markersdorf) sichtbar, dass hier die Abweichungen zwischen Zensus und Einwohnermelderegister relativ gering sind. Ähnliches lässt sich auch für den Plattenbaustadtteil Yorckgebiet sagen.

 

Rottluff: +1,4 % (+16 Einwohner)
Rottluff zeigt ebenfalls eine positive Abweichung, bei der der Zensus 16 Personen mehr als das Einwohnermelderegister erfasst.

Fazit: Herausforderungen der Bevölkerungsstatistik

Die Daten zeigen, dass die Unterschiede zwischen dem Zensus 2022 und den Daten des Einwohnermelderegisters in Chemnitz teils erhebliche Größen aufweisen. Die Abweichungen lassen sich sowohl auf methodische als auch praktische Faktoren zurückführen, darunter:

  • Erfassungsunterschiede: Der Zensus basiert Daten aller Einwohnermelderegister und auf Stichproben und Hochrechnungen, während das Einwohnermelderegister auf Meldedaten (und dem Melderecht) beruht. Zur Wahrheit gehört auch, dass beides stimmen kann. Man kann in Chemnitz gemeldet sein, und de facto am 15.05.2022 nicht in Chemnitz wohnhaft gewesen sein.
  • Fluktuation: Stadtteile mit einer hohen Mobilität oder einer besonderen Dynamik (z. B. Zentrum, Sonnenberg, Bernsdorf) oder mit speziellen Merkmalen (Ebersdorf) könnten - allgemein gesprochen - ungenauer erfasst worden sein. Überall dort, wo Wohnheime und Gemeinschaftsunterkünfte im großen Stil existieren, sind systematische Abweichungen durchaus denkbar.
  • Bei den Ursachen für die Abweichungen in den Randstadtteilen (z. B. Grüna, Adelsberg etc.) können wohl nur jene Auskunft geben, die die Zensus-Daten erhoben haben, sofern diese in der Lage sind, ihre Messungen mit denen des Einwohnermelderegisters abzugleichen. Hier sind andere Erklärungsmuster als jene in den innerstädtischen Stadtteilen notwendig.
  • Zusätzlich kommt hinzu, dass die Monate März, April, Mai, Juni 2022 auch durch starke Flüchtlingszuströme aus der Ukraine gekennzeichnet waren. Es ist durchaus möglich, dass es dort Unterschiede zwischen konkretem Wohnort und konkreter Meldeadresse gegeben hat.

Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung regelmäßiger und umfassender statistischer Erhebungen, um ein möglichst genaues Bild der Bevölkerungsstruktur zu gewinnen. Für die Planung und Steuerung kommunaler Aufgaben bleibt das Zusammenspiel beider Datenquellen unerlässlich, vor allem weil der Zensus weitaus mehr und andere Daten erhebt als das Einwohnermelderegister. In Anbetracht der Folgen und Konsequenzen, die niedrige(re) Bevölkerungszahlen für Kommunen mit sich bringen (z. B. "Halle/S. zählt"), ist davon auszugehen, dass (weiterhin) viel methodischer Aufwand betrieben werden muss, um präzise zu messen und Abweichungen nur dort zuzulassen, wo diese real auch wirklich aufgetreten sind.